30.03.2021: Baden-Württemberg hat gewählt! GRÜNE strahlende Sieger – Desaster für ‚alte‘ Volksparteien CDU und SPD

1. Begrüßung

Herr Thaa begrüßt die Teilnehmer und Frau Dorothea Kliche-Behnke von der SPD. Herr Schneiderhan hatte im Vorfeld der Veranstaltung die Wahlkreiskandidaten/innen der im Bundestag vertretenen Parteien Teilnahme an diesem Politischen Gesprächskreis eingeladen.

 

2. Impuls von Herrn Schneiderhan

 

 

Analyse zur Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg

von Karl Schneiderhan

 

1. Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung ist im Vergleich zur Landtagswahl 2016 um 7 % zurückgegangen. Rein rechnerisch sind also die Nichtwähler mit 36,2% die ‚Gewinner‘ der Landtagswahl. Gründe dafür sind vermutlich zum einen die aktuelle Corona-Situation, nicht auszuschließen ist aber eine erneute Zunahme der Unzufriedenheit mit der Politik, was sich u. a. darin zeigt, dass nicht nur ehemalige AfD-Wähler nicht zur Wahl gingen, sondern auch die weiteren Parteien in nicht geringem Umfang an die Nichtwähler verloren haben.

Erfreulicher ist mit 70,5% die Wahlbeteiligung im Wahlkreis Tübingen, deutlich über dem Landesdurchschnitt von 63,7% und die zweithöchste Zahl nach dem Stadtkreis Freiburg. In der Universitätsstadt Tübingen liegt ist mit 74,6% sogar noch höher. Leicht über dem Landesdurchschnitt mit 66,4%, aber mit einem Minus von 6,5% gegenüber 2016, lag die Wahlbeteiligung in der Stadt Rottenburg. Berücksichtigt man hier zudem den überdurchschnittlichen Stimmenrückgang für CDU und SPD einerseits sowie die erheblich über dem Landes- und Wahlkreisdurchschnitt liegenden Stimmenanteile der AfD andererseits, stellt sich die Frage, ob sich dahinter eine verdeckte Unzufriedenheit gegenüber der Politik verbirgt, u. a. auch in Bezug auf die kommunale Ebene mit Verwaltung und Gemeinderat. Für diese These spricht einiges, wenn man das Ergebnis des Bürgerentscheids zum Gewerbegebiet ‚Herdweg‘ von 2018 in die Analyse einbezieht.   

 

2. Wahlergebnisse

 Für die ehemaligen Volksparteien CDU mit einem Stimmenanteil von 24,6%, die einstens 20 Jahre (1972 bis 1992) mit absoluter Mehrheit regierte, und für die SPD mit 11,0%, die über viele Jahre, auch wenn Baden-Württemberg nie ein Stammland der Sozialdemokraten war, durchaus respektable Ergebnisse erzielen konnte, waren dies die schlechtesten Wahlergebnisse seit Bestehen des Landes Baden-Württemberg im Jahre 1952. Die GRÜNEN konnten sich gegenüber der Landtagswahl von 2016 nochmals verbessern und erreichen mit einem Stimmenanteil von 32,6% ihr bisher bestes Wahlergebnis. Die FDP feiert in ihrem liberalen Stammland mit 10,5% Erfolge wie einst, die AfD etabliert sich trotz Verlusten mit 9,7% und DIE LINKE mit nur 3,6% findet mit ihrer Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit kaum Resonanz.

Alle Parteien bzw. Wählervereinigungen, die an der 5%-Hürde gescheitert sind und somit nicht in den Landtag einziehen, erreichen zusammen immerhin 12,1%, ein beachtlicher Wähleranteil, der nicht im Landtag vertreten ist. Rechnet man den Anteil von 36,2% Nichtwähler hinzu, sind fast die Hälfte der Wahlberechtigten nicht repräsentiert.

Die GRÜNEN konnten 58 der 70 möglichen Direktmandate gewinnen, die CDU lediglich noch 12 Direktmandate. Der neue Landtag zählt 154 Abgeordnete, 34 mehr als die für den Landtag vorgesehenen 120 Mandate. Darunter sind 45 Frauen, ein Anteil von 29,2 % und gegenüber 2016 ein Plus von 4,7 %. Auf Fraktionen verteilt ergibt sich folgender Frauenanteil: GRÜNE 48,3 %, CDU 26,2 %, SPD 15,8 %, FDP 11,1 % und AfD 5,9 %. Insbesondere die SPD, die sich gerne als Anwältin für Frauen in der Politik ausgibt, bleibt weit hinter ihren eigenen Ansprüchen.

Die bereits seit 10 Jahren einsetzenden Wählerwanderungen verfestigen sich. Allerdings geht bei dieser Wahl der höchste Anteil an die Nichtwähler. CDU und SPD geben nochmals in erheblichem Umfang Stimmen an die GRÜNEN ab.  Die FDP holt Stimmen von bisherigen CDU- und AfD-Wählern. Die AfD kann keine Wähler anderer Parteien für sich gewinnen.  

 

3. Wahlentscheidende Einflussfaktoren

Die vier wahlentscheidenden Einflussfaktoren sind Persönlichkeit/Beliebtheitswerte, Parteimage/-ansehen, Problemlösungskompetenz sowie Wahlkampagne. Bei der Landtagswahl wirken sich diese wie folgt aus:

  1. Der Wahlerfolg der GRÜNEN ist eng verknüpft mit Persönlichkeit und Beliebtheitswerten des amtierenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Person vor Partei bzw. Programm). Lt. einer Umfrage haben ca. 36% der GRÜNEN-Wähler angegeben, die Partei wegen Kretschmann gewählt zu haben. (‚Kretschmann-Effekt‘) Zudem verkörpert er wie Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz Volksparteiencharakter, konservativ und wirtschaftsnah. Was es bedeutet, wenn dieser Effekt entfällt, zeigt das im einstelligen Bereich liegende Ergebnis für die GRÜNEN mit ca. 9% in Rheinland-Pfalz. Kein/e Spitzenkandidat/in hatte im Vorfeld einer Wahl bei Umfragen so schlechte Sympathie- und Kompetenzwerte wie Susanne Eisenmann von der CDU. Vergleicht man das Ergebnis mit 10,5% für die FDP mit dem in Rheinland-Pfalz (knapp über 5%) spricht auch dies für den Spitzenkandidaten Heinz-Ulrich Rülke, der als Oppositionspartei erkennbar klare Kante zeigte und die FDP als eigenständige politische Größe profilieren konnte.
  1. Bei der wahrgenommenen Problemlösungskompetenz können die GRÜNEN im Land überraschend gut punkten, inzwischen auch in Politikfeldern, die bisher CDU-Domänen waren wie Schule und Bildung, Wirtschaft und Krisenmanagement. Die Werte im Land bedeuten dennoch keinen Freifahrschein für die Bundestagswahl, wie eine in Verbindung mit der Landtagswahl durchgeführte Umfrage der Universität Hohenheim zeigt. Während danach den GRÜNEN im Land mit 39% gegenüber 19% für die CDU eine deutlich höhere Problemlösungskompetenz zugesprochen wird, ist das Ergebnis auf Bundesebene genau umgekehrt, 40% sehen diese bei der CDU und nur 10% bei den GRÜNEN.
  1. Aktuell zeichnet die GRÜNEN ein gutes Parteiimage aus, u. a. befördert durch das strategisch kluge Agieren des Spitzenduos auf Bundesebene, Robert Habeck und Annalena Baerbock. Beide vermitteln den Eindruck, offensiv Zukunft gestalten zu wollen, während der Landes-CDU mit ihrer Fraktion eher das Image, insbesondere in den städtischen Milieus, eines rückwärts gerichteten Kurses anhaftet.
  1. Die Wahlwerbung der GRÜNEN, insbesondere Plakatwerbung und Fernsehspots, war im Unterschied zu der von CDU und SPD ansprechender, überzeugender, symbol- und aussagekräftiger. Teilweise erinnerte diese an die Wahlwerbung der CDU bei früheren Wahlen.    

4. Weitere Thesen zur Analyse des Wahlergebnisses im Land

 

5. Thesen zum Wahlergebnis im Wahlkreis und in der Stadt Rottenburg

 

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