29.09.2020: Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA - Neustart oder Absturz der amerikanischen Demokratie?

1. Begrüßung

Karl Schneiderhan begrüßt die Anwesenden, bedankt sich für deren Kommen und Ihr Interesse am heutigen Thema. Er weist drauf hin, dass in Deutschland selten so viele Menschen in politischer Hinsicht sich einig sind in ihrer Ablehnung von Donald Trump, neben seinen Lügen und Spaltungstendenzen zuletzt wegen seiner aktuell aufgekommenen Steueraffäre. So stellt sich die Frage: Wie kann es sein, dass ein großer Teil der amerikanischen Bevölkerung unbeirrt ihm die Treue hält? Im Nachrichtenmagazin ‚Focus‘ war vor kurzem zu lesen, der Fall Trump sei viel komplizierter. Das Problem sei daher ursächlich nicht die Person Trump, sondern jene, die ihn wählen. Der Gesprächskreis möchte daher mit dem heutigen Thema neben dem Blick auf die Kandidaten insbesondere über die Hintergründe des aktuellen amerikanischen Wahlkampfes informieren, so u. a. die gesellschaftliche Wirklichkeit in den USA beleuchten, um so zu einem besseren Verstehen der aktuellen Entwicklungen beizutragen.

 

2. Referat von Herrn Prof. Dr. Winfried Thaa

Der aktuelle amerikanische Wahlkampf spitzt sich auf eine Frage zu: Kann es gelingen, Trump durch ein Wählervotum als Präsident abzulösen? Anders als bei Wahlen, wie wir sie kennen, zielt diese Frage nicht nur auf mögliche Stimmenmehrheiten, sondern auch auf Besonderheiten des ameri­kanischen Wahlsystems und, weniger harmlos, auf die Frage, ob sich alle Beteiligten an die Spiel­regeln einer demokratischen Wahl halten werden. Um das Phänomen Trump und die beispiellose Polarisierung der amerikanischen Politik etwas auszuleuchten, werde ich mich auf einige wenige, aber wie ich meine, zentrale Aspekte der in 30 Minuten nicht umfassend darstellbaren politischen Situation in den Vereinigten Staaten konzentrieren:

1) Die Besonderheiten des politischen Systems und insbesondere des Wahlrechts der USA

Der Präsident der USA wird zwar vom Volk gewählt, aber nicht in einer direkten Wahl auf nationaler Ebene. Vielmehr werden in den Einzelstaaten nach dem Mehrheitswahlrecht die Mitglieder des sog. „Electoral College“ bestimmt, das dann den Präsidenten wählt. Dies bedeutet, dass der Kandidat mit den meisten Stimmen innerhalb eines Staates alle diesem Staat zustehenden Stimmen gewinnt. Für das Endergebnis der Präsidentschaftswahl ist es deshalb gleichgültig, welchen Stimmenvorsprung der Sieger in einem Einzelstaat erreicht. Er muss nur mehr Stimmen als sein Gegner erhalten. Die Wahlen werden deshalb in den wenigen Einzelstaaten entschieden, in denen keine der zwei Parteien eine sichere Mehrheit hat, den sog. „Swing States“.  Diese Konstellation hat erhebliche Konsequen­zen für die Wahlkampfstrategie und die jeweilige politische Profilierung der Kandidaten.

Die indirekte Wahl hat ihren Ursprung im Misstrauen der sog. Verfassungsväter gegenüber dem Volk, aber auch in der Sklaverei der Südstaaten. In der Verfassungsdiskussion der USA 1787 konnten die Südstaatenvertreter durchsetzen, dass nicht nur die Zahl der weißen Bewohner, sondern auch die der Sklaven innerhalb eines Einzelstaates bei der Berechnung der Anzahl der jeweiligen Wahlmänner berücksichtigt wurden. Dazu bedurfte es des Wahlmännerkollegiums.

Eine zweite Besonderheit des amerikanischen Wahlsystems geht zurück auf den föderalen Charakter der USA. Die Zahl der Stimmen im Wahlkollegium entspricht heute der Zahl der Abgeordneten im Kongress, der aus zwei Kammern besteht, dem Repräsentantenhaus und dem Senat. Da nur die Zahl der Abgeordneten des Repräsentantenhauses der Einwohnerzahl entspricht, jeder Staat jedoch unabhängig von der Einwohnerzahl zwei Senatoren nach Washington entsenden kann, begünstigt das Wahlsystem die meist ländlich geprägten, weniger bevölkerten Staaten.

Eine dritte Besonderheit ergibt sich aus dem fehlenden Meldewesen in den USA. Wer wählen möchte, muss sich zuvor registrieren lassen, ein Prozess der in den Einzelstaaten sehr unterschiedlich geregelt ist und historisch lange Zeit genutzt wurde, um Afroamerikaner und Minderheiten durch ein aufwendiges Verfahren möglichst von der Wahl fern zu halten.

Viertens schließlich ist auch die Briefwahl, die vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie an Bedeu­tung gewinnt, in den Einzelstaaten extrem unterschiedlich geregelt und bereits seit Monaten Gegen­stand politischer Auseinandersetzungen. Trump schürt die nicht gänzlich unbegründeten Befürch­tungen vor organisatorischen Problemen und Manipulationen bei der Briefwahl, um eine mögliche Niederlage von vornherein in Frage stellen zu können.

2) Die Kulturalisierung und Moralisierung der amerikanischen Politik

Ältere Lehrbücher zum politischen System der USA betonen in aller Regel den im Vergleich zu Europa unideologischen und pragmatischen Charakter der amerikanischen Politik. Vor einigen Jahrzehnten waren die Differenzen innerhalb der beiden heterogenen Parteien größer als die zwischen ihnen und es gehörte zum Alltag, dass sich ein Präsident Parlamentsmehrheiten auch bei Abgeordneten der anderen Partei zusammensuchte. Das hat sich grundsätzlich geändert. Parteien und Wählerschaft sind heute extrem polarisiert. Umfragen zeigen, dass Monate vor der Wahl nur sehr wenige Wahlbe­rechtigte unentschieden sind. Im Gegensatz dazu hat die Zahl der Wechselwähler in Deutschland während der letzten Jahrzehnte stark zugenommen.

Ein wichtiger Grund dieser Entwicklung liegt in der Zurückdrängung klassisch verteilungspolitischer Fragen zugunsten kultureller, von beiden Seiten stark moralisierter Konflikte. Diese Verschiebung der politischen Konfliktlinien reicht zurück bis zu Richard Nixon, der gegen die hedonistische, „unameri­kanische“, und „amoralische“ Jugendkultur der 60er und 70er Jahre seine Politik von „law and order“ stellte. Diese Strategie wurde erfolgreich weiterentwickelt von Ronald Reagan, mit dem es den Republikanern gelang, unter den weißen Industriearbeitern wichtige Stammwähler der Demokraten für sich zu gewinnen. Radikalisiert und in der republikanischen Partei zu einer verbindlichen Linie durchgesetzt wurde sie in den 90er Jahren von Newt Gingrich. Neben der Polemik gegen den korrup­ten Sumpf der Bundespolitik in Washington und dem Ziel eines Rückbaus bundesstaatlicher Regulierungen spielte dabei die Auseinandersetzung um die Liberalisie­rung der Abtreibungsgesetze und die in diesem Zusammenhang stehende Politisierung der evangeli­kalen Christen eine Hauptrolle. Aber weit über diese Gruppe hinaus bilden christliche Sexualmoral und die entschiedene Ablehnung von Abtreibungen bis heute ein wichtiges Motiv für die Ablehnung der liberalen akademischen Eliten durch die ländliche und die weniger gebildete Bevölkerung. 

Parallel zu dieser kulturellen Annäherung der Republikaner an die weiße Unter- und Mittelschicht konzentrierte sich die politische Linke zunehmend auf den Kampf um die Gleichstellung von Frauen sowie ethnischer und sexueller Minderheiten. Eine prominente Rolle spielt dabei die Politik der sog. Political Correctness, die vor allem an Universitäten und im liberalen akademischen Milieu der Küstenstädte Unterstützung findet. Die marxistische Feministin Nancy Fraser kritisiert in diesem Zusammenhang eine Entfernung der politischen Linken weg vom Ziel sozialer Gleichheit hin zur Propagierung einer auf Bildung basierenden meritokratischen Leistungsgesellschaft und spricht in Bezug auf die demokratische Partei von einem Bündnis zwischen neoliberaler Wirtschaftspolitik und progressivem Moralismus.  In der Konsequenz verstärkt sich auch von dieser Seite die kulturelle Spal­tung der amerikanischen Gesellschaft, so dass politische Konflikte zunehmend zu einer Frage der Moral und der Identität geworden sind.

Diese Polarisierung entlang von Lebensweisen und Werten findet statt vor dem Hintergrund einer mas­siven Zunahme der Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen und einer breiten, nicht auf Afroamerikaner und andere Minderheiten beschränkte Verelendung. Dazu nur Stichworte:

Arbeitsproduktivität und Reallöhne gingen seit den 80er Jahren scherenartig auseinander.

Das erhebliche Wirtschaftswachstum in den USA kam nahezu ausschließlich dem reichsten Prozent der Bevölkerung, und in geringerem Maße der akademisch gebildeten, oberen Mittelschicht zugute.

Die Ungleichverteilung der Einkommen nahm zwischen 1930 und 1979 erheblich ab, übertrifft aber heute, durch den während der 80er Jahren einsetzenden Wiederanstieg bereits wieder das extreme Ungleichheitsniveau zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die reichsten 10% der Bevölkerung verfügen über ca. 48% der Einkommen (Europa 34%) (vgl. Piketty: Das Kapital, 2014, S. 429).

Politisch noch bedeutsamer ist der historisch einzigartige reale Abstieg der alten Mittelschichten, die in den USA jahrzehntelang den sog. „American Dream“  verwirklichen konnten – ein Leben im Eigenheim im Vorort, eigenem Wagen, die Kinder auf dem College etc.. In den Staaten Ohio, Wisconsin und Michigan, die Trump 2016 von den Demokraten gewinnen konnte, lag das mittlere Haushaltseinkommen (Median) im selben Jahr um 5900, 6000 und 9000 Dollar unter dem des Jahres 2000 (Quelle: Komlos/Schubert, S. 216). 

Beides zusammen, kulturelle Spaltung und die Erfahrung sozialen Abstiegs, nähren bei der unteren Mittelschicht das Gefühl, von den Gewinnern verachtet zu werden und befeuern Verbitterung, Rassismus und Gewaltbereitschaft.

 Die ursächlich für diese Entwicklung verantwortliche neoliberale Wirtschaftspolitik wurde auch unter den Regierungen Clinton und Obama fortgesetzt. Trump dagegen hat die vermeintlich alternativlose wirt­schaftliche Globalisierung unter nationalistischem Vorzeichen repolitisiert. Seine Wiederwahl wird auch davon abhängen, ob er in den Augen seiner Wähler die 2016 gemachten Versprechen, wie Stopp der illegalen Zuwanderung,  bessere Handelsverträge mit China und Europa und neue Jobs in der Industrie erfüllen konnte. Biden, der seit Jahrzehnten zum Establishment der demokratischen Partei gehört, steht eigentlich für die alte, neoliberale Wirtschaftspolitik und hat sich auch in der jetzigen Kampagne wieder mit den entsprechenden Beratern umgeben. Gleichzeitig überbietet er im Wahlkampf mit seiner wirtschaftspolitischen Rhetorik Trumps „America First“ und fordert „Make it in America“. Ob das glaubwürdig wirkt und er damit die an Trump verlorene weiße Arbeiterschaft zurückgewinnen kann, bleibt abzuwarten.

3) Die Zerstörung der politischen Öffentlichkeit

Amerikanische Wahlkämpfe sind immer schon sehr viel personalisierter gewesen als die in Deutschland. Insbe­sondere aber werden sie sehr stark als „Negative Campaigning“ geführt, als Medienkampagne zur moralischen Diskreditierung des Gegners. Extremes Beispiel dafür waren die beiden Kampagnen 2016 (Trump als Lügner, Betrüger, Frauenfeind - Clinton als Kriminelle mit der Parole „Hillary for Prison“). Diese Art der entpolitisierenden Mobilisierung wird mehrfach begünstigt: durchs Wahl­system, durch die oben beschriebene kulturelle, durch moralisch aufgeladene Polarisierung, durch eine bereits vor Trump immer stärker auf Showeffekte setzende Politik, die Trump vollends zur billigen, aber massenwirksamen Reality Show gemacht hat, durch die kommerziell agierenden Medien, die ihre jeweilige Klientel bedienen, jede Chance zu Skandalisierung und Empörung nutzen und sich dabei keinerlei Objektivitätsnorm mehr verpflichtet fühlen, nicht zuletzt aber durch die Logik der sozialen Medien, die Trump wie kein Politiker zuvor zur permanenten emotionalen Mobilisierung seiner Anhänger nutzt  – ohne jede Rücksicht auf Tatsachenwahrheiten.

Eine einiger maßen neutrale, nachprüfbaren Tatsachen verpflichtete und gegensätzliche Standpunkte darstellende Öffentlichkeit besteht in den USA heute allenfalls noch in Nischen.

4) Der aktuelle Wahlkampf: Corona und Rassenkonflikt

Der aktuelle Wahlkampf steht einerseits im Zeichen des inkompetenten und provozierend ignorie­renden Umgangs der Bundesregierung mit der Corona-Epidemie, andererseits aber auch unter dem Eindruck der landesweiten Proteste gegen rassistische Polizeigewalt. Beide Ereignisse lassen sich als Einbruch der Realität in Trumps schönes neues Amerika werten. Ohne die Corona-Pandemie hätte sich Trump als der erfolgreichste US-Präsident aller Zeiten inszeniert - und er wird es wohl immer noch tun, wenn auch weniger pompös und ev. auch weniger überzeugend. Genau das jedoch könnte ausschlaggebend sein, denn US-Wahlen werden vor allem durch das Ausmaß der Mobilisierung der eigenen Anhänger entschieden, kaum durch das Gewinnen von Wechselwählern. 

Die Ermordung von George Floyd hat die Brutalität rassistischer Polizeigewalt in den USA schlaglicht­artig beleuchtet. Die Proteste fördern einerseits ein Bewusstsein darüber, dass es mit der Polizei­gewalt und dem strukturellen Rassismus, der für die Verelendung großer Teile der afroamerikani­schen Bevölkerung verantwortlich ist, so nicht weitergehen kann. In den USA werden pro Jahr regel­mäßig mehr als 1000 Menschen von Polizisten getötet (zum Vergleich: in Deutschland seit 1952 insgesamt knapp über 500). 28% der Getöteten sind Afroamerikaner, bei 13% der Bevölkerung (Quelle: mappingpoliceviolence.org und Wikipedia, Waffengebrauch der Polizei in D). Nicht vergessen werden sollte dabei allerdings, dass die USA mit mehr als 15 000 Tötungsopfern pro Jahr ein nicht auf die Polizei beschränktes Gewaltproblem haben und 52% aller Tötungsdelikte von Afroamerikanern begangen werden (Quelle: Wikipedia, Race and Crime in the US).

Die gewalttätigen Ausschreitungen bei Protesten werden von Trump dazu genutzt, die tiefsitzende Angst vieler weißer Amerikaner vor dem „schwarzen Mob“ zu mobilisieren.  Sollte es zu größeren, gewalttätigen Rassenunruhen kommen, hätte Trump eine Steilvorlage dafür, Biden und die Demo­kratien als Marionetten schwarzer und kommunistischer Gewalttäter darzustellen. Mehr noch wäre zu erwarten, dass die demokratische Koalition zwischen liberaler Mittelschicht, Afroamerikanern und Minderheiten ihre Mobilisierungskraft verlieren würde. 

5) Ein reguläres Wahlergebnis?

Amerikanische Wahlen bieten viele Möglichkeiten der Manipulation. So sind bereits bei früheren Wahlen Wahllokale in Stadtteilen abgebaut worden, die einen hohen Anteil von Minderheiten aufweisen, so dass die Stimmabgabe der an einem Werktag stattfindenden Wahl Stunden langes Schlange stehen erfor­derlich macht.

Die bereits genannten Besonderheiten des Wahlsystems lassen bei einem knappen Wahlausgang zudem erwarten, dass für mehrere Tage das endgültige Wahlergebnis nicht feststeht. Da die Demo­kraten bei der Briefwahl, die Republikaner bei der Urnenwahl relativ besser abschneiden könnten, gibt es Befürchtungen, Trump könne sich in der Wahlnacht zum Sieger erklären, bevor die per Brief abgegebenen Stimmen vollständig ausgezählt sind. Zudem untergraben Trumps bereits wiederholt gemachten Äußerungen, er könne die Wahl eigentlich nur durch Fälschung oder Manipulation verlie­ren, Grundprinzipien der Demokratie: Die Anerkennung der Legitimität der Gegenseite und der Ent­scheidung durch eine wenn auch noch so knappe Mehrheit der Wähler.

Zwar gilt allgemein: Wer den politischen Gegner moralisch verdammt und dessen Sieg mit dem Untergang Amerikas gleichsetzt, wird sich schwertun, eine Wahlniederlage anzuerken­nen. Offen stellt allerdings nur Trumps Seite die Spielregeln in Frage. Ob ein möglicher Wahlsieg des Duos Biden/Harris eine Erneuerung der amerikanischen Demokratie einleiten oder zu einer weiteren Zuspitzung der Spaltung des Landes führen wird, muss deshalb offenbleiben.

Literaturhinweise:

Hochschild, Arlie: Fremd in ihrem Land. Eine Reise ins Herz der amerikanischen Rechten, Bonn 2018.

Komlos, John/Schubert, Hermann: Die Entwicklung sozialer Ungleichheit und ihre politischen Implikationen in den USA, in: Wirtschaftsdienst 3/2019, S. 216-223.

Lepore, Jill: Diese Wahrheiten. Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, München 2019.

Packer, George: Die Abwicklung. Eine innere Geschichte des neuen Amerikas, Frankfurt a.M. 2014.

 

3. Diskussion

Sind die sog. ‚Wahlmänner‘ an das Votum der Wähler gebunden?

Die Wahlmänner sind formal nicht an das Votum der Wähler gebunden, sie haben aber in der Vergangenheit kaum anders als die Wähler abgestimmt. Ein von dem Wählervotum abweichendes Wahlverhalten der Wahlmänner wäre undenkbar.

Sind die Demokraten politisch links und die Republikaner rechts einzuordnen?

Die Parteien sind traditionell ideologisch kaum gebunden. Sie waren eher Sammlungsbewegungen. Das hat sich heute jedoch geändert, wobei die Polarisierung weniger entlang ökonomischer als entlang gesellschaftspolitischer, kultureller und moralischer Fragen verläuft. Eine große Rolle spielt dabei etwas das Thema der Abtreibung, das sehr viel unerbittlicher und kompromissloser diskutiert wird als dies bei uns der Fall ist. Die Republikaner sind im Vergleich zu den Demokraten eher marktkonform orientiert, was sich etwa auch in ihrer Ablehnung einer gesetzlichen Krankenversicherung zeigt. Sie nutzen darüber hinaus eine für Amerika typische Skepsis der Bevölkerung gegen den Zentralstaat aus. Die Demokraten dagegen bilden ein von mitte-rechts bis links reichendes Bündnis, das sich seit längerem sehr stark für Frauenrechte und Minderheiten einsetzt und seine Hochburgen in den Staaten der beiden Küsten hat.

Prognosen für den Wahlausgang

Trump wird wahrscheinlich die Wahl wegen seines schlechten Managements der Corona-Krise nicht gewinnen. Trotzdem ist das Wahlergebnis nur sehr schwer abschätzbar, da die Zahl der Wechselwähler relativ klein ist. Die Wahlen werden durch die Mobilisierung der jeweils eigenen Anhänger entschieden. Der Aufwand, wählen zu gehen ist relativ hoch. Man muss sich aber vor den Wahlen in ein Wählerregister eintragen lassen. Zudem wurde die Zahl der Wahllokale reduziert, sodass beim Wählen mit langen Wartezeiten zu rechnen ist. Das korrekte Abwickeln der Briefwahl ist durch massive Einsparungen bei der Post nicht gesichert. Die Wahlbeteiligung ist niedriger als bei uns.

Hätten die Demokraten nicht einen besseren Kandidaten als Biden finden können? Ja, aber bei den Demokraten ist der alte Apparat noch gut in Takt und die finanziellen Möglichkeiten eines Kandidaten im Vorwahlkampf sind ausschlaggebend für seinen Erfolg.

Thema Migration

Trump hat ein zentrales Versprechen seines Wahlkampfes, eine harte Migrationspolitik zu betreiben weitgehend umgesetzt, auch wenn die „Mauer“ an der Grenze zu Mexiko bisher nur wenige Kilometer lang ist. Die Zahl der illegalen Einwanderer ist während der Trump-Ära stark gesunken. In den USA sind etwa 60% der Einwohner europäischer Abstammung. Die Trennung der Rassen erfolgt bisweilen nach kaum nachvollziehbaren Regeln. (Hinzugefügt von WH): Trotzdem gibt es in einigen US-Staaten bei der weißen Bevölkerung die Befürchtung bald in der Minderheit zu sein.

Grüne Parteien?

Es gibt in den USA zwar grüne Parteien, die das Thema Umwelterhaltung auf ihre Fahnen geschrieben haben, besonders nach den aktuellen Waldbränden wie z. B. in Kalifornien. Aber es stellt sich das Problem, dass solche Parteien den Demokraten Stimmen wegnehmen könnten, wodurch sie letztlich den Republikanern nützen würden. Umweltthemen spielen aber im Wahlkampf eine zunehmende Rolle.

Was erklärt den Erfolg von Trump?

Während Trump, ebenso wie Busch jr., eine Negativfigur ist, wurden Präsidenten wie Kennedy oder Obama in Deutschland idealisiert. Trump lässt sich in seiner Politik durch nichts beirren. Man muss sein Wirken auch durch die Brille des amerikanischen Durchschnittsbürgers sehen, für den sich durch die Auswirkungen der globalisierten Wirtschaft und das Absinken des Reallohnniveaus drastische Veränderungen seiner sozialen Lage ergeben haben. Trump hat z. B. mit seiner Steuerreform den Steuersatz für hohe Einkommen von 39,5% auf 37% gesenkt, aber eben auch für Geringverdiener den Steuersatz um 3-4% gesenkt und die Steuerfreibeträge verdoppelt. Insofern hat Trump die Wahlversprechen für sein Klientel gehalten.

Sind bei uns ähnliche Entwicklungen wie in den USA möglich?

In Deutschland sind ähnliche Entwicklungen wie in den USA noch nicht ausgeprägt, aber durchaus. Auch hier können wir eine Abwendung von sozioökonomischen Fragen hin zu einer Art Kulturkampf beobachten. In den USA halten sich beide Seiten weniger an demokratische Spielregeln, wie z. B. bei der Ernennung von Richtern. Dabei gehen die demokratischen Abläufe verloren. Demokratie braucht Regeln und deren Einhaltung.

 

4. Verabschiedung

Herr Schneiderhan bedankt sich beim Referenten für seinen informativen Beitrag und bei den Teilnehmern für ihre wertvollen Beiträge.

 

Nächster Gesprächskreis

Der nächste Gesprächskreis findet am 27.10.2020 um 10.00 statt. Der Ort ist auch wieder die Zehntscheuer. Das Thema ist die Kooperative und ökologische Erzeugung von Lebensmitteln in der Region - die Genossenschaft Xäls. Als Referent sind Herr Michael Schneider und ein Kollege von Xäls eingeladen.

 

Videogespräch am Mittwoch, 14. Oktober 2020 von 14.00 bis 15.30 Uhr mit Frau Staatsministerin Annette Widmann-Mauz MdB

Die Videokonferenz wird über die Anwendung Cisco Webex stattfinden. Interessenten melden sich bitte per E-Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! bis zum 12. Oktober 2020 an. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Im Anschluss erhalten Sie dann die Zugangsdaten sowie alle weiteren Informationen zugeschickt.

Für die Teilnahme braucht man eine freigeschaltete Kamera, ein Mikrophon und Lautsprecher. Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Bei Rückfragen steht das Bundestagsbüro von Frau Widmann-Mauz auch gerne telefonisch unter 030-227 77560 zur Verfügung.

 

Wolfgang Hesse, 02.10.2020

 

 

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