25.09.2023: Felix Heidenreich: Demokratie als Zumutung - für eine andere Bürgerlichkeit

1. Einführung (Winfried Thaa)

Ich darf Sie zur ersten Veranstaltung unseres Gesprächskreises nach der Sommerpause herzlich begrüßen. Es geht heute wieder um ein Buch und zwar um Felix Heidenreichs „Demokratie als Zumutung“. Das Thema des Buches ist im weiteren Sinn die Krise der Demokratie bzw. die wachsende Entfremdung zwischen den Bürgern und ihren politischen Repräsentanten.

Unmittelbarer Anlass dieses Buch zu diskutieren waren für uns nicht die neuesten, ziemlich erschreckenden Umfragen zum Rückgang der Demokratiezufriedenheit, auf die Karl Schneiderhan gleich noch kurz eingehen wird. Wir fanden das Buch vielmehr interessant und diskutierenswert, weil es eine ungewöhnliche Interpretation der erodierenden Demokratieunterstützung, und mehr noch, weil es provozierende Vorschläge enthält, wie ihr begegnet werden sollte. Heidenreich kehrt die vorherrschende Perspektive der ja nicht erst seit gestern geführten Diskussion über die Krise der Demokratie um: Er fragt nicht, was die Bürger erwarten oder wie die Politik die Bürger wieder zufriedenstellen, wie sie wieder „liefern“ könnte. Er kritisiert diese Perspektive als Ausdruck einer „Konsumentendemokratie“ und fragt stattdessen, was man von Bürgerinnen und Bürgern erwarten muss, wie man sie ansprechen sollte, damit Demokratie funktionieren kann. Dabei rückt er die aktuellen Krisenentwicklungen immer wieder in einen breiteren philosophischen und ideengeschichtlichen Horizont, der von den alten Griechen bis zu zeitgenössischen französischen Denkern reicht und inhaltlich eher republikanisch als liberal zu bezeichnen wäre.

Felix Heidenreich wurde 1973 in Freiburg geboren. Er hat in Heidelberg, Paris und Berlin studiert. Er hat sich sehr früh schon mit französischen Denkern auseinandergesetzt und ist vor ein paar Jahren für seine Verdienste um den kulturellen Austausch zwischen Frankreich und Deutschland mit einem französischen Orden ausgezeichnet worden. In seiner Dissertation in Heidelberg geht es um den Philosophen Hans Blumenberg, seine Habilitation ist vor kurzem als Buch bei Suhrkamp unter dem Titel „Nachhaltigkeit und Demokratie“ erschienen. Felix Heidenreich hat seit Jahren eine Stelle als Wissenschaftlicher Koordinator am Internationalen Zentrum für Kultur- und Technikforschung der Uni Stuttgart.

 

2. Impuls zum Thema (Karl Schneiderhan)

Das Thema ‚Demokratie‘ erfährt derzeit wieder höhere Aufmerksamkeit. So fand am 15. September der seit 2007 von den Vereinten Nationen ausgerufene Tag der Demokratie statt, zur Förderung und Verteidigung der demokratischen Grundwerte, die heute alles andere als selbstverständlich sind. Zum andern leistete vor genau 75 Jahren der Verfassungskonvent in Herrenchiemsee die entscheidende Vorarbeit für das Grundgesetz und der Parlamentarische Rat begann seine Arbeit, wichtige Momente in der Geschichte unserer Demokratie. Auch stimmen mehrere aktuelle Studien durchaus nachdenklich, nach denen das Vertrauen in die Demokratie bzw. die Zufriedenheit mit ihr, wie sie in Deutschland besteht, unter die 50%-Marke gesunken ist.

Felix Heidenreich leistet mit seinem Buch einen wichtigen Beitrag zur Zukunft der Demokratie, weil er im Gegensatz zu bisherigen Veröffentlichungen eine neue Perspektive einbringt. Seine zentralen Thesen stellen wir im Folgenden vor.

Ausgangslage:

Phänomene der Krise bzw. Erosion

 

Ursachen der Krise bzw. der Erosion

 

Handlungsbedarf: Perspektivenwechsel

Angesichts dieser Gefährdungen und Erosionen fordert Felix Heidenreich eine kopernikanische Wende, was das Demokratieverständnis betrifft.

 

Umsetzung: Vorschläge und Maßnahmen

 

Würdigung des Buches

Das Buch leistet einen fundierten Debattenbeitrag zur Zukunftsfähigkeit der Demokratie, was die öffentliche Resonanz und zahlreichen Rezensionen belegen. Demnach ist eine funktionierende Demokratie nicht nur auf gut konstruierte Institutionen und verantwortungsbewusst handelnde Eliten angewiesen, sondern auf eine demokratisch gesinnte Bevölkerung, die die Mitgestaltung der demokratischen Ordnung als eigene Angelegenheit begreift.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist jedoch, wie die immer noch bestehenden ökonomischen und kulturellen Ursachen von Entfremdung und Ungleichheit überwunden werden. Auch die Frage einer realistischen Umsetzbarkeit bleibt weitgehend offen, z. B. hinsichtlich der Wahlpflicht und des verpflichtenden Bürgerdienstes, ebenso die Frage, ob ‚Bürgerräte‘ die Repräsentationsschwächen der bestehenden Parteiendemokratie ausgleichen. Eine stärkere Beteiligung von Bürgern in der Rechtsprechung löst nicht die grundsätzlichen Probleme im Rechtswesen. Zudem werden demokratische Defizite auf EU-Ebene und deren Auswirkungen auf unser Land nicht thematisiert, ebenso der weitgehend intransparent agierende Lobbyismus


Beteiligungsformen auf dem Prüfstand am Beispiel der Stadt Rottenburg

In Verbindung mit Heidenreichs Thesen stellen wir bisher praktizierte Beteiligungsformen vor.

Aus Zeitgründen konnten die einzelnen Beteiligungsprojekte nicht mehr im Detail vorgestellt und diskutiert werden. Diese wären daraufhin zu untersuchen, ob sie die von Heidenreich formulierten Anforderungen nach Bürgerbeteiligung erfüllen, ebenso ob und inwieweit diese die Demokratie stärken und das Vertrauen in die Politik auf kommunaler Ebene fördern.

Nähere Informationen zu den verschiedenen Beteiligungsprojekten sind über die Homepage der Stadt Rottenburg abrufbar.

 

3. Diskussionsbeiträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Winfried Thaa)

 

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