19.12.2022. Ist unsere Demokratie in Bedrängnis? - Aktuelle Entwicklungen am Beispiel des gesellschaftlichen Zusammenhalts -

1. Einführung (Wolfgang Hesse)

Die Dorfbewohner weit oben in den Tälern Nepals halfen traditionell bei der Instandhaltung der weiter flussabwärts gelegenen Kanäle und die flussabwärts lebenden Menschen halfen bei der Instandhaltung der flussaufwärts gelegenen Dämme und Kanäle.  Auf diese Weise sicherten sie gemeinsam für alle den Zugang zum lebenswichtigen Wasser. Kooperation und Zusammenhalt brachten für alle Beteiligten wesentliche Vorteile bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlagen. Man könnte also sagen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt für diese Menschen überlebensnotwendig war und teilweise noch ist. Wir wollen uns heute mit der Frage beschäftigen, wie es mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt aktuell bei uns aussieht und welche Bedeutung er für unsere Demokratie besitzt.

 Was ist gesellschaftlicher Zusammenhalt?

Gesellschaftlicher Zusammenhalt bezeichnet die Summe aller sozialen Bindungen der Mitglieder einer Gesellschaft. Er zeigt sich an der Verbundenheit und Solidarität der Menschen untereinander. Wie stark die sozialen Bindungen sind, lässt sich u. a. an Gefühlen von Vertrauen und Zugehörigkeit oder an der Gemeinwohlorientierung der Gesellschaft – ob und in welchem Ausmaß das Wohlergehen aller Menschen angestrebt wird – erkennen.“  (Zusammen stark sein, Phineo, AG Berlin 2019). 

Das Modell der Sozialwissenschaftler Szreter und Woolcock (S. Szreter, M. Woolcock: Health by association? Social capital, social theory and the political economy of public health International Journal of Epidemiology, 33, 2004, pp. 650-667) beschreibt drei verschiedene Arten sozialer Bindungen: Von BONDING sprechen wir bei engen Beziehungen zwischen Menschen mit vielen Gemeinsamkeiten. Diese belastbaren sozialen Bindungen stiften Identität und geben Halt – gerade auch in Notlagen. Von BRIDGING reden wir, wenn Beziehungen zwischen Menschen oder Gruppen mit wenigen gemeinsamen Merkmalen bestehen. Bridging ermöglicht den Dialog und den Austausch von unterschiedlichen persönlichen Erfahrungen, Meinungen und Potenzialen. Von LINKING ist die Rede, wenn Verbindungen zwischen Bevölkerung und übergeordneten Institutionen bzw. deren Repräsentant*innen (z. B. Regierung, Behörden, Schulen) bestehen. Linking fördert die Teilhabe an demokratischen Prozessen und gibt den Menschen die Möglichkeit, ihre Lebenswelt aktiv mitzugestalten.

In welchem Verhältnis steht gesellschaftlicher Zusammenhalt zu unserer Demokratie?

Dass die Demokratie bedroht ist, scheint offensichtlich: Die internationale Wochenzeitung The Economist erstellt jährlich einen Demokratieindex. Danach lebten 2006 13% der Weltbevölkerung in ‚uneingeschränkt funktionierenden Demokratien‘. 2017 war es nur noch 4,5%. (Economist Intelligence Unit, zit. Nach Colin Crouch, Postdemokratie revisited, Bonn 2022).

Braucht Demokratie ein hohes Maß an gesellschaftlichen Zusammenhalt und was passiert mit der Demokratie, wenn der Zusammenhalt schwindet?  Gibt es Faktoren, die Demokratie und Zusammenhalt gleichermaßen bedrohen?  Könnte es sein, dass Entwicklungen wie die Korruption der Politik durch Reichtum und Lobbyarbeit, die Finanzkrise und die zu ihrer Lösung ergriffenen Maßnahmen, die Eurokrise und die damit einhergehende Einschränkung demokratischer Entscheidungen, die Verlagerung von Entscheidungen aus demokratisch gewählten nationalen Parlamenten hin in globale Organisationen oder das Erstarken des Populismus die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt gleichermaßen bedrohen?

Damit sind wir eigentlich schon mitten in unserem heutigen Thema, zu dem Karl gleich einige interessante Untersuchungen vorstellen wird. Im Anschluss an seinen Vortrag werden wir dann die aufgeworfenen Fragen in der Diskussion vertiefen.

 

2. Impuls (Karl Schneiderhan)

Die Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt gehört seit jeher zu den Grundfragen der Sozialwissenschaften. Das Thema hat aber seit 2015 an Bedeutung und seit 2019 Brisanz gewonnen. Auslöser dafür sind die unterschiedlichen Krisen sowie die sich verstetigenden politischen Erfolge populistischer Parteien und Strömungen in Deutschland und Europa, speziell die des Rechtspopulismus. Damit verbunden ist eine zunehmende Polarisierung in den einzelnen Gesellschaften. Zudem hat das für heute gewählte Thema nochmals an Aktualität zugelegt. Das bestätigt u. a. das Thema beim Presseclub der ARD vor gut einer Woche. Im Zusammenhang mit der Razzia bei den Reichsbürgern lautete das Thema: „Wie gefährdet ist die Demokratie?“ Die Razzien haben aufgedeckt, es gibt Verbindungen dieser Gruppe zur AfD und, das ist beängstigender, bis tief in die Reihen der Sicherheitsbehörden hinein.

Bereits aus der im Auftrag des SWR durchgeführten Untersuchung des Instituts für Demoskopie in Allensbach Anfang dieses Jahres geht hervor, ca. 1/3 der Bundesbürger stimmten der Äußerung zu, in einer "Scheindemokratie" zu leben, in der Bürger nichts zu sagen hätten und das demokratische System in Deutschland grundlegend geändert werden müsste. Auffällig dabei ist der West-Ost-Unterschied: In Westdeutschland sind 28 % dieser Ansicht, in den ostdeutschen Bundesländern sogar 45 % sowie der deutliche Zusammenhang zwischen rechtsradikaler politischer Auffassung und der Hang zu Verschwörungstheorien.

Angesichts dieser Entwicklungen macht es Sinn, im Rahmen eines politischen Gesprächskreises zu fragen, zu fragen, wie stabil bzw. wie gefährdet erleben die Menschen in unserem Lande den Zusammenhalt. Neben der bereits erwähnten Allensbach-Studie gab es in den vergangenen Jahren weitere Befragungen und Studien, u. a. mehrere von der Bertelsmann Stiftung und aktuell eine im Auftrag der ARD durchgeführte Umfrage. Daraus stellen wir als Grundlage für die anschließende Diskussion ausgewählte Ergebnisse vor.

 

Was meint gesellschaftlicher Zusammenhalt?

Gesellschaftlicher Zusammenhalt wird gesehen als Ausdruck eines intakten, solidarischen und lebenswerten Gemeinwesens. Der Grad des Zusammenhalts zeigt sich in Einstellungen und Verhaltensweisen der Bürgerinnen und Bürger. Um den Zusammenhalt zu messen, benutzt die Bertelsmannstiftung ein mehrdimensionales Messinstrument, das unterschiedliche Bereiche von Zusammenhalt integriert und neun Dimensionen umfasst. Demnach ist der Zusammenhalt gekennzeichnet durch „belastbare soziale Beziehungen, eine positive emotionale Verbundenheit ihrer Mitglieder mit dem Gemeinwesen und eine ausgeprägte Gemeinwohlorientierung.“ Diese drei Aspekte stellen die Kernbereiche von Zusammenhalt dar, die sich wiederum jeweils in drei Dimensionen untergliedern. Der Bereich „Soziale Beziehungen“ spricht neben der Akzeptanz von Diversität die Intaktheit sozialer Netze und das generelle Vertrauen in die Mitmenschen an. Der Bereich „Verbundenheit“ erfasst das Ausmaß der Identifikation mit dem jeweiligen Gemeinwesen, das Vertrauen in dessen Institutionen und das subjektive Erleben gesellschaftlicher Gerechtigkeit. Ob Menschen sich anderen gegenüber solidarisch und hilfsbereit zeigen, grundlegende Regeln des Miteinanders befolgen und sich gesellschaftlich und politisch engagieren, wird im Bereich „Gemeinwohlorientierung“ erfasst.

1.Umfrage im Rahmen der ARD-Themenwoche 2022

Die Umfrage "Wir gesucht - was hält uns zusammen" ist eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der ARD. Dazu folgende ausgewählte Ergebnisse:

Ostdeutsche sehen Zusammenhalt stärker gefährdet als Westdeutsche.

Eine deutliche Mehrheit meint, dass es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Land nicht zum Besten steht. 64% halten den Zusammenhalt insgesamt für schlecht, in Ostdeutschland ist die Bewertung mit 74% noch kritischer. Auch bei den jüngeren Menschen (18-34 J.) ist die Zahl derer, die den Zusammenhalt in Deutschland als schlecht empfinden, mit 73% deutlich höher als im Durchschnitt aller Befragten. Bei den 18-34-Jährigen sowie bei Menschen mit einem niedrigeren Bildungsgrad wird der Zusammenhalt negativer gesehen als bei der älteren Generation (65+) und Menschen mit höherem Bildungsgrad.

Ampel-Koalition kann Zusammenhalt nicht verbessern.

Seit Amtsantritt der neuen Bundesregierung hat sich der gesellschaftliche Zusammenhalt eher verschlechtert. 49% teilen diese Einschätzung, weitere 43% sehen keine große Veränderung und nur 4% geben an, der Zusammenhalt in der Gesellschaft habe sich seither verbessert. Anhänger der Oppositionsparteien halten die Verschlechterung für besonders drastisch: Bei Parteianhängern der AfD sehen sogar 83% eine Verschlechterung des Zusammenhalts seit Amtsantritt des Kabinetts von Kanzler Olaf Scholz. Aber auch jeweils ca. 1/3 der Anhänger von SPD, Grüne und FDP sehen seitdem eine Verschlechterung des gesellschaftlichen Miteinanders und ca. 60% der Anhänger vor SPD und Grüne sagen, es habe sich nichts verändert.

Zusammenhalt entsteht stärker in Vereinen, weniger bei Parteien und Kirchen.

Auffällig ist, dass Institutionen, die traditionell als wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt gesehen werden, unterschiedlich beurteilt werden. Besonders schlecht schneiden Politik und Parteien (28%) sowie Kirchen ab. Demnach leisten die Kirchen für den Zusammenhalt nur noch eine vergleichsweise geringe Rolle, denn nur noch 27% der Befragten geben an, die Kirchen leisteten hier einen angemessenen Beitrag. (Anmerkung: Diese Bewertung dürfte unter Berücksichtigung der dort geleisteten kulturellen, erzieherischen und sozialen Arbeit, die nach der Sozialforschung als ein wesentlicher Beitrag zum Zusammenhalt zu sehen ist, nicht die tatsächliche Rolle der Kirchen in Gesellschaft und Kommunen widerspiegeln.

Den Gewerkschaften attestieren 49%, den Zusammenhalt zu fördern. Auch in Ostdeutschland, wo der Organisationsgrad der Gewerkschaften geringer ist, sehen das immerhin noch 45% so. Die mit Abstand wichtigsten Institutionen für das Wir-Gefühl sind Sportvereine, Kultur- und Freizeiteinrichtungen mit ca. 75%.

Zeitungen, Fernsehen und Radio genießen Vertrauen

48% meinen, diese Medien leisten einen angemessenen Beitrag zum Miteinander. In Ostdeutschland dagegen sagen 59%, die klassischen Medien leisteten keinen angemessenen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Insgesamt sieht eine Mehrheit keinen angemessenen Beitrag der Social Media und des Internets zum Zusammenhalt. Die Studie zeigt zudem, wer häufig Social Media nutzt, sieht die Konflikte bedrohlicher und die Welt schlechter an. Gleichzeitig sehen jene, die Social Media häufig nutzen, die Debattenkultur negativer als die Gesamtheit.

Sorge im Großen, Zusammenhalt im Kleinen

Im direkten Wohnumfeld wird der Zusammenhalt positiver eingeschätzt als in Bezug auf Deutschland insgesamt. 9 von 10 Befragten sagen, in ihrer Familie und im Freundeskreis sei das Miteinander gut. Fast ¾ stellen in ihrer Gemeinde ein gutes Miteinander fest, in Ostdeutschland sind es aber nur 50%. Eine Mehrheit gibt an, der Zusammenhalt vor Ort würde durch mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger gestärkt.

Konflikt zwischen Arm und Reich als wichtigstes Thema

¾ der Befragten sind der Meinung, zwischen Arm und Reich gebe es in Deutschland große Konflikte, im Osten sogar 85% (+10% gegenüber dem Westen). Die Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern der Corona-Maßnahmen werden trotz abflauender Pandemie von 72% als großes Konfliktthema wahrgenommen, gefolgt von der Migration. Fast 2/3 sehen große Konflikte zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Gegensätze zwischen Ost und West, Stadt und Land sowie das Verhältnis von Alt und Jung werden als weniger stark ausgeprägt wahrgenommen.

Wenig Interesse an anderen Meinungen, Randthemen bestimmen Debatten

Nur 44% der Befragten sind der Meinung, dass man in Debatten unterschiedliche Meinungen austauscht, von der anderen Seite lernt und am Ende ein Kompromiss steht gegenüber 48%, die das nicht so sehen. Besonders kritisch wird bewertet, wie Debatten geführt werden. Fast 3 von 4 Befragten finden, es gehe dabei mehr um Selbstdarstellung als um Inhalte. 51% geben an, Debatten würden nicht fair und respektvoll geführt, 70% sagen, an der Meinung der anderen Seite gebe es zu wenig Interesse. In Ostdeutschland sind die Werte weit geringer. Fast 2/3 sind überzeugt, Debatten über drängende politische und gesellschaftliche Fragen würden sich häufig mit Randthemen beschäftigen.

2. Studie der Bertelsmannstiftung zum Zusammenhalt von 2017

Um den Zusammenhalt in Deutschland sei es gegen alle Mutmaßungen nach wie vor gut bestellt, so das Fazit der Studie von 2017. Die seit 1989 durchgeführten Befragungen und die Studie von 2014 sowie zuletzt die von 2017 zeigen in der Tat einen positiven Trend, was den Zusammenhalt in der Gesellschaft betrifft. Dieser wurde auch nicht durch die zunehmende kulturelle und religiöse Vielfalt wesentlich beeinträchtigt. Allerdings zeigen sich in der Studie von 2017 bereits deutliche Anzeichen möglicher Gefährdungen. Dazu zählen die empfundene Gerechtigkeitslücke, die Spaltung in Bezug auf das soziale Miteinander zwischen Ost und West sowie zwischen prosperierenden und strukturschwachen Regionen.

Der Gesamtindex betrug in dieser Studie 61,4 Punkte von 100, in Ostdeutschland ca. 58 Punkte. Den Zusammenhalt im eigenen Wohnumfeld schätzen 68% als gut ein, nur ca. 7% bewerten diesen als schlecht, ähnlich auch in Ostdeutschland. Die konkreten Erfahrungen im Alltag werden im Unterschied zum Land insgesamt also besser eingeschätzt.

Methodischer Ansatz sowie Ergebnisse, u. a. für einzelne Bundesländer und Regionen sind in der Studie ausführlich beschrieben. (vgl. Quellenangabe)

3. Studie der Bertelsmannstiftung von 2021/2022 zum Gerechtigkeitsempfinden in Deutschland

Nur 17% der Menschen glauben, es gebe Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland und 27%, es gehe zwischen den Generationen gerecht zu. Höher ist der Anteil derjenigen, die davon überzeugt sind, das eigene Vermögen (34%) und das eigene Einkommen (35%) seien gerecht. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen: Menschen mit höherem Einkommen und höherer formaler Bildung, Männer sowie Bildungsaufsteiger empfinden die Gesellschaft als deutlich gerechter als Menschen mit niedrigerem Einkommen und Bildungsstand sowie Frauen.

Auffallend ist, das Vertrauen in Politik und staatliche Institutionen korreliert mit der empfundenen Gerechtigkeitslücke. Menschen, die das Gefühl haben, es gehe ungerecht zu, sind aber weniger bereit zu Veränderungen. Dagegen ist der Wunsch nach einem Ausgleich groß. So sind 75% für die Verringerung des Unterschieds zwischen Arm und Reich. Allerdings sind nur 37% bereit, dafür höhere Steuern zu zahlen. Die Studie geht zudem vertiefend auf die Wahrnehmung der Gerechtigkeit zwischen den Generationen ein.

Während die gesellschaftliche Wirklichkeit hinsichtlich Gerechtigkeit als defizitär gesehen wird, unterstützt aber eine überwältigende Mehrheit zentrale Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft, z. B. Leistungsprinzip (85%) Bedarfsprinzip (95%).

Die gesamte Studie ist auf der Homepage der Bertelsmannstiftung abrufbar.

4. Studie der Bertelsmannstiftung zum Zusammenhalt in Baden-Württemberg 2022

Der Wert für den Gesamtindex des gesellschaftlichen Zusammenhalts lag bei den in Baden-Württemberg Befragten 2019 noch bei 63,8 P. (Skala 0 bis 100). In der aktuellen Erhebung im Dezember 2021 bzw. Januar 2022 ist dieser zusammengefasste Gesamtwert um 10 P. auf 53,8 P. gefallen. Dieser Rückgang ist deshalb bemerkenswert, da die Werte des Gesamtindex in der Vergangenheit nur geringe Veränderungen aufwiesen. So war zwischen 2017 und 2019 der Gesamtindex in BW um 0,8 P. gestiegen, von 63 auf 63,8 P. Vergleichbare Erhebungen für ganz Deutschland weisen zudem darauf hin, dass es sich bei dem Rückgang nicht um einen spezifischen Trend in Baden-Württemberg handelt.  

Weiterhin ist der Zusammenhalt ist in allen 9 Dimensionen und Regionen zum Teil deutlich zurückgegangen. Am stärksten gesunken sind die Werte für Identifikation (- 20 P.), soziale Netze (-14,5 P.) sowie Solidarität und Hilfsbereitschaft (- 12,6 P.). Den geringsten Rückgang verzeichnet die Studie in der Dimension Gerechtigkeitsempfinden (- 1,3 P.), deren Werte jedoch bereits in der letzten Erhebung 2019 niedrig waren. Auch regional zeigt sich ein überall gleich hoher Rückgang. 

Neben der objektiven Messung des Zusammenhalts in den neun Dimensionen wird auch jeweils die subjektive Bewertung des Zusammenhalts abgefragt. Hierbei zeigt sich, dass inzwischen 48% der Befragten der Aussage zustimmen, der Zusammenhalt sei gefährdet. Dies sind 6% mehr als 2019. Neu ist, dass erstmals nur noch eine Minderheit der Befragten (47%) den Zusammenhalt in der eigenen Wohngegend als gut oder sogar sehr gut einschätzt. 2019 lag dieser Wert noch bei 80%. Ein Grund dafür dürfte durch die Auswirkungen der Pandemie bedingt sein, die spürbare negative Auswirkungen im Alltag hatte.  

Wie bereits in früheren Studien wird der Zusammenhalt von den einzelnen Bevölkerungsgruppen verschieden stark erlebt. So erleben ärmere und nicht erwerbstätige Personen, Menschen mit geringerer formaler Bildung und mit Migrationshintergrund sowie chronisch Kranke den Zusammenhalt als geringer. Niedrigere Werte finden sich auch bei Menschen, die in Großstädten leben, bei Personen aus der Altersgruppe 45 bis 64 Jahre sowie Alleinerziehende.

Das Gefühl der politischen Benachteiligung ist weit verbreitet mit entsprechenden Folgen für das Erleben des Zusammenhalts. Insbesondere das Vertrauen in Institutionen ist zurückgegangen und die Coronapandemie hat zu erheblichen psychoemotionalen Belastungen geführt. Durch die Pandemie sei der Zusammenhalt in Deutschland schwächer geworden, sagen 62%. Ca. 20% meinen, die Pandemie habe den Zusammenhalt in der eigenen Wohngegend geschwächt. 2/3 geben an, die Konflikte zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen hätten zugenommen und eine relative Mehrheit sagt, ihnen begegne im Alltag tendenziell eher Feindseligkeit denn Solidarität.

Auffallend ist der Aufschwung hinsichtlich des Glaubens an Verschwörungstheorien. Immerhin 42% denken, die Regierung verschleiere bei vielen Ereignissen die Wahrheit, 54% meinen, Politiker würden keine Auskunft über ihre wahren Motive geben und 32% glauben, es gebe geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen hätten.

Weitere Ergebnisse der Studie sind auf der Homepage der Bertelsmannstiftung abrufbar.

Die zitierten Studien können über die jeweilige Homepage aufgerufen werden.

 

3. Diskussionsbeiträge

In der sich anschließenden Diskussion ging es insbesondere um Einflussfaktoren und Ursachen sowie mögliche Auswirkungen und die Frage, welches Handeln künftig nötig ist. Dazu gab es folgende Wortbeiträge:  

 

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